Nachrichten
Von Gläubigen aus Wien - Hietzing
5 / 6 - Wien, Mai / Juni 1986, 4. Jahrgang
Der Messias kommt mit großem Tamtam
Franz Kalab
„Denn wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen, so wird auch das Kommen des Menschensohns sein.”
Matthäus 24,27
Erstmals in der Geschichte der Wiener Evangelischen Allianz sprach nun ein Jude über Jesus und eröffnete so auch in diesem Rahmen das Gespräch zwischen Juden und Christen. Diesem „historischen Ereignis” in kleinem Rahmen wollen wir gerne einmal eine Ausgabe unserer Nachrichten widmen. Am 24. Februar 1986 hielt Alexander Ronai im Bruderrat der Evangelischen Allianz-Wien einen Vortrag über Jesus aus jüdischer Sicht. Alexander Ronai wurde 1915 in Ungarn in einer orthodox-jüdischen Familie geboren. 1931 bis 1933 studierte er Judaistik in Frankfurt am Main. Nach Hitlers Machtergreifung kehrte er nach Ungarn zurück, emigrierte 1938 nach England, kehrte nach 1947 zurück nach Budapest und lebt seit 1956 in Wien.
Herr Ronai zeigte sich von den persönlichen, freien, ernstlichen Gebeten des Bruderrates beeindruckt. So etwas habe er in den großen Kirchen noch nicht erlebt. Sie erinnerten ihn sehr an das Beten der chassidischen Juden. Ihnen stehen die Evangelikalen und Pietisten wohl auch im Schriftverständnis näher. Auch gäbe es in den Lebensäußerungen des Protestantismus mehr Parallelen zur Synagoge als im Katholizismus.
Freundlicherweise stellte Herr Ronai das Konzept seines Vortrages für die „Nachrichten” zur Verfügung. ... An dem Abend herrschte trotz der engagierten Diskussion nach dem Referat eine faire, herzliche, wohlgesonnene und offene Atmosphäre.
Jesu der Jude
Alexander Ronai
Hauptzweck dieses Gespräches sollte es sein, Christen und Jude einander näherzubringen. Am besten kann man dies tun, indem man die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen aufzeigt. Da die meisten Christen über das Thema Judentum nur wenig wissen, können sie sich auch nicht vorstellen, wie viel sie mit dem Judentum gemeinsam haben: der Glaube an Gott, das Alte Testament, viele Gebete (z. B. die Psalmen), Riten und Feiertage.
Das erstaunlichste ist aber dies: es gibt einige wichtige Fundamente des Christentums, von denen die meisten Christen annehmen, daß sie spezifisch „christlich” sind und daher sicherlich mit dem Judentum völlig in Widerspruch stehen. Sie werden daher als trennende Faktoren zwischen Christentum und Judentum betrachtet. Bei näherer Betrachtung stellt sich aber heraus, daß diese „trennenden Faktoren” in Wirklichkeit ebenfalls sehr „jüdisch” sind. Dazu einige Beispiele: das Hauptgebet der Christen, das „Vaterunser”, ist eigentlich ein jüdisches Gebet, das auch heute noch in den Synagogen gebetet wird. Aber auch die Evangelien, die Bibel der Christen, also die Hauptsäulen des christlichen Glaubens, sind ebenfalls jüdische Bücher: verfaßt von Juden, für Juden, über Juden, in hebräischer Sprache. Und wenn ich sage „Juden”, dann meine ich damit strenggläubige gesetzestreue, orthodoxe Juden im heutigen Sinne! Diese provokante Behauptung bedarf einer näheren Erläuterung: es handelt sich hier nämlich um die Entstehungsgeschichte der Evangelien, um das s. g. „Ur-Evangelium”. Noch vor der Niederschrift der heute uns bekannten griechischen Evangelien existierte bereits eine Art „Ur-Evangelium”, das in hebräischer Sprache verfaßt wurde, aber seit den Tagen des Kirchenvaters Hieronymus verschollen ist. Dieses Ur-Evangelium ist nach Jesu Tod in der Jerusalemer Urgemeinde entstanden.
Nachrichten 30 - Mai / Juni 1986 | ||
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Autor | Inhalt | Seite |
Franz Kalab | Der Messias kommt mit großem Tamtam „Denn wie der Blitz ausgeht vom Osten und leuchtet bis zum Westen, so wird auch das Kommen des Menschensohns sein.” Matthäus 24,27 | 1 |
Alexander Ronai | Jesus der Jude Jesus - Christentum -Heute | 1 |
Franz Kalab | Versuch einer Antwort „... ihrer Feindschaft den Todesstoß zu versetzen ...” Epheser 2,16 Antijudaismus ist für Nichtjuden gefährlicher - Jesus ist das zentrale Thema - Die Macht des Wortes Gottes - Die Bibel will als ein Buch gelesen werden - Antijudaismus wurzelt im Aufstand gegen den Gott Israels - Quellenscheidung scheidet aus (Martin Buber, Anmerkung März 2015 fk ) - Vergebung durch bekennen, Gelingen durch lassen - Ganze Umkehr zur ganzen Schrift - Nicht durch tun des Gesetzes ... sondern allein durch Vertrauen - Wo Gemeinde des Messias Jesus ist, da ist der Antijudaismus tot! Epheser 2,11ff | 4 |
Lucie Begov | Mit meinen Augen. Botschaft einer Auschwitzüberlebenden: „So lange das gemeinsame Erbe der Völker christlicher Tradition erhalten bleibt, so lange es eine »Judenfrage« und einen Antisemitismus gibt, wird das freie, demokratische Westeuropa, um das es hier geht, seinen Beitrag zur Humanisierung der Menschheit, zur Verwirklichung einer heute noch utopischen, besseren Welt, nicht leisten können.” | 8 |
Franz Werfel | Leseprobe Jeremias. Höret die Stimme Roman. Fischer Taschenbuch 2064, Frankfurt am Main, 1981 | 11 |
Evangelische Allianz Wien | Aktion „Christen für Juden” Anläßlich des Vortrages von Herrn Alexander Ronai in der Wiener Evangelischen Allianz. „Geh vor dich hin aus. Ich will dich. Werde ein Segen. Segnen will ich, die dich segnen. Die dich segnen verfluche ich. Abram ging wie ER zu ihm geredet.” 1. Mose 12,1-4 nach Martin Buber | 12 |
Gertud Amtsbüchler | Für Kinder von 3 bis 133 Jerushalajim Stadt des Friedens - Märchenstadt! Eindrücke von Jerusalem | 13 |
Termine intern, wöchentlich. Texte, Themen, Prediger. Opferplan | 16 | |
Susanne Kompast | Cartoon: Lustig ist das Gemeindeleben |